Eine Flamme, gespeist von einem Behälter, der mit Mist gefüllt ist. Dieses Szenario hat Peter Schärer vor zehn Jahren an einer Landwirtschaftsmesse erlebt – und es hat ihn nicht mehr losgelassen. War es tatsächlich möglich, mit dem Mist von Kühen Wärme und Strom zu erzeugen? «Diese Frage hat mich zum Denken angeregt», erinnert sich der Landwirt.
Jasmine und Peter Schärer betreiben den Senggenhof in Sumiswald. Die Milchwirtschaft ist ihr Hauptstandbein, ergänzend halten sie Mastschweine, züchten Labradore und betreiben ein Massagestübli. Ihre vier erwachsenen Kinder arbeiten im Betrieb mit, wenn Not am Hof ist. «Unser Familienzusammenhalt ist riesig», lässt Jasmine Schärer stolz wissen.
Der Zusammenhalt von Familie Schärer ist riesig.
Tüftler und Macher mit Vorwärtsdrang
Vor drei Jahren schliesslich hat Familie Schärer den besagten Landwirt von der Messe besucht. Dieser hat in den 1980er-Jahren im Berner Oberland begonnen, eine Biogasanlage zu entwickeln und zu bauen. Seither hat er die Funktionsweise optimiert und vertreibt sein Konzept. «Niklaus Hari hat in der Schweiz Pionierarbeit geleistet, was Kleinbiogasanlagen angeht», zeigt sich Peter Schärer beeindruckt.
Auch Schärers haben letztes Jahr eine solche Biogasanlage auf dem Senggenhof eingebaut und in Betrieb genommen. Das Herzstück bildet dabei der 320 m3 grosse Fermenter. Dieser Betonhohlraum ist unterirdisch verbaut und wird laufend mit Kuhmist vollgepumpt. Bei einer ständigen Temperatur von 40 °C verarbeiten Bakterien diesen zu Methangas. Über eine Leitung und einen Gasballon als Zwischenspeicher gelangt das Gas in ein Kraftwerk und wird dort in Strom und Wärme umgewandelt.
«Unsere Kinder sind die Zukunft vom Senggenhof.
Wir treffen Entscheidungen nachhaltig und gemeinsam mit ihnen.»
Jasmine und Peter Schärer
«Wir sind Tüftler und Macher», sagt Peter Schärer von sich und seiner Familie. Sie seien schon immer innovativ gewesen, hätten vieles selber geflickt oder neues eigenhändig geschaffen. «Wir schätzen das Alte, hängen aber nicht daran.» Dass Schärers vorwärtsschauen, ist ihnen bei ihrem Biogasprojekt besonders zugutegekommen. Der Weg bis zur Baubewilligung sei harzig gewesen. Kein Wunder, denn solche Kleinbiogasanlagen sind noch dünn gesät und Abläufe beim Einholen von Bewilligungen und Finanzierungsbestätigungen noch nicht eingespielt.
Mit einer Biogasanlage stellt Familie Schärer aus Kuhmist Strom und Wärme her.
Der Durchhaltewille hat sich gelohnt
«Mehr als einmal hätte ich am liebsten den Bettel hingeschmissen», erzählt Peter Schärer und ergänzt ganz offen: «Dieses Projekt hat mich an meine Grenzen gebracht.» Doch seine Frau und die Kinder hätten ihn immer wieder dazu motiviert, dranzubleiben und weiterzumachen. «Wir haben das Projekt als Familie gestemmt», ergänzt Jasmine Schärer. Sie alle hätten diese Anlage gewollt und sich dafür eingesetzt. Der Durchhaltewillen hat sich gelohnt: Im Frühling 2022 hat Familie Schärer mit dem Bau der Biogasanlage begonnen, wie immer mit ganz viel Eigenleistung. Im Dezember sind zum ersten Mal Strom und Wärme geflossen.
Familie Schärer rechnet dank der neuen Biogasanlage mit Strom und Wärme während 22 Stunden an 365 Tagen im Jahr. «Der stetige Stromfluss ist das, was uns wirklich zu Selbstversorgern macht», sagt Peter Schärer. Die nachhaltige Produktionsweise ist ein zusätzlicher Punkt, der für Schärers wichtig ist. Der Fermenter hat einen mechanischen Überlauf, der den zersetzten Kuhmist – welcher als Dünger auf den Feldern verwendet wird – weiterbefördert. Dieser ist frei vom Methangas und daher verträglicher für die Umwelt.
Wie Schärers den ersten Winter mit Wärme und Strom aus ihrer eigenen Biogasanlage erlebt haben, erfahren Sie im Video.
Das Motto bleibt «füretsi»
In erster Linie wollen Schärers die Biogasanlage dafür nutzen, um Strom für den eigenen Verbrauch zu generieren und mit der Abwärme ihr Haus zu beheizen. Der Strom, den Schärers nicht brauchen, fliesst ins allgemeine Stromnetz. Die erzeugte Wärme sollte für die Beheizung von drei Einfamilienhäusern ausreichen. «Wir planen deshalb einen Wärmeverbund mit Nachbarn», lässt Peter Schärer durchblicken.
«Wir sind stolz auf die nachhaltige Wärme- und Stromproduktion.»
Jasmine Schärer
Und natürlich hat der innovative Visionär bereits nächste Pläne: «Vielleicht produzieren wir genügend Gas, um ein zweites Kraftwerk zu betreiben. Dann könnten wir Strom für weitere Haushalte produzieren. Toll wäre es auch, wenn wir mit dem Biogas die Traktoren und Maschinen betreiben könnten.» Das Motto für die Zukunft ist auf dem Senggenhof also klar: «füretsi».
Neben Strom und Wärme produziert Familie Schärer umweltverträgliche «Bschütti» für ihre Felder.