Stellen Sie sich vor: Felix Frischknecht wohnt in Rohrbach im Kanton Bern. Eine Freundin von ihm, Agnes Meier, verunfallt unerwartet. Die beiden standen sich nah. Weil Agnes keine Nachkommen hat, vermacht sie Felix ihr Einfamilienhaus, das im Nachbardorf steht. Ein Arbeitskollege macht Felix darauf aufmerksam, dass er jetzt eine Erbschaftssteuer zu zahlen hat, die es in sich hat. Felix macht sich schlau darüber.
Was ist eine Erbschafts- und Schenkungssteuer?
Sobald Sie von einer Person Vermögen erhalten, können darauf Steuern anfallen:
- Findet die Übertragung des Vermögens nach dem Tod der Person statt, fällt eine Erbschaftssteuer an. Das Vermögen fliesst von der erblassenden Person an eine Erbin oder einen Erben. Die Erbin bzw. der Erbe bezahlt die Steuer.
- Schenkt Ihnen die Person das Vermögen zu Lebzeiten, bezahlen Sie eine Schenkungssteuer. Das Vermögen geht von der schenkenden Person an die beschenkte Person. Die beschenkte Person bezahlt die Steuer.
Drei Faktoren beeinflussen die Höhe der Erbschafts- und Schenkungssteuer
Die Höhe der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist in der Schweiz von drei Faktoren abhängig:
- vom jeweiligen Kanton
- vom Verhältnis zur schenkenden oder erblassenden Person
- von der Höhe des übertragenen Vermögens
Was bedeutet das genau? Wir schauen uns die Faktoren im Detail an:
1. Kanton
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist in der Schweiz kantonal geregelt. Aus diesem Grund sind die folgenden Regelungen abhängig vom Kanton.
Ausserdem unterscheidet das Gesetz zwischen beweglichem Vermögen und Immobilien:
- Zum beweglichen Vermögen gehören zum Beispiel Bargeld, Kontoguthaben und Wertschriften. Dieses bewegliche Vermögen ist in dem Kanton steuerpflichtig, in dem die erblassende oder schenkende Person ihren Wohnsitz hat oder hatte.
- Immobilien hingegen werden grundsätzlich in dem Kanton besteuert, in dem sie sich befinden.
Im Kanton Bern ist der amtliche Wert der Immobilie massgebend, während es im Kanton Solothurn der Verkehrswert ist. Massgebend für die Steuerberechnung ist der Wert der Immobilie abzüglich der Schulden, also der Hypothek.
2. Verhältnis zur schenkenden oder erblassenden Person
Ein grundlegender Faktor, um die Höhe der Steuer zu bestimmen, ist das Verhältnis der erblassenden oder schenkenden Person zur Empfängerin bzw. zum Empfänger des Vermögens. Übertragungen von Vermögenswerten an die Ehepartnerin, den Ehepartner oder an die eigenen Kinder oder Enkelkinder sind in den Kantonen Bern und Solothurn von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Der Kanton Bern schliesst auch Stiefkinder in diese Regelung mit ein, der Kanton Solothurn die eigenen Eltern.
Für weitere Verwandte oder Personen ausserhalb der Familie sind übertragene Vermögen bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei. Das ist der sogenannte Freibetrag. Das Vermögen über diesem Beitrag ist steuerpflichtig. Bekommen Sie von derselben Person innerhalb von fünf Jahren mehrere Zuwendungen, wird der Freibetrag nur einmal gewährt.
- Im Kanton Bern beträgt der Freibetrag CHF 12 000 für die Erbschafts- und die Schenkungssteuer.
- Im Kanton Solothurn kennt die Erbschaftssteuer keinen Freibetrag.
Für die Schenkungssteuer beträgt er CHF 14 100.
3. Höhe des übertragenen Vermögens
Ist der Freibetrag des übertragenen Vermögens erreicht, steigt die Steuer progressiv an. Je mehr das geerbte bzw. geschenkte Vermögen beträgt, umso höher fällt der Steuersatz aus. Zusätzlich ist der Grad der Verwandtschaft massgebend.
Wichtig zu wissen ist, dass die Steuer innerhalb von fünf Jahren angewendet wird. Wer also heute eine Schenkung in der Höhe von CHF 100 000 und in drei Jahren von derselben Person weitere CHF 300 000 bekommt, versteuert kumuliert CHF 400 000.
Steuerklassen Kanton Bern
Im Kanton Bern erhöht sich der Steuersatz nach Abzug des Freibetrags pro CHF 110 600. Zusätzlich greift je nach Verwandtschaftsgrad ein weiterer Rechnungsfaktor. Die folgende Tabelle zeigt die Steuersätze und die Faktoren pro Verwandtschaftsgrad.
Steuer nach Klassen |
Steuersatz |
Ehegatten, eingetragene/r Partner/in, Kinder, Enkelkinder |
Eltern, Stief-/ Pflegeeltern, Geschwister, Halbgeschwister, Grosseltern, Stief-/ Pflegegrosseltern, Personen in Wohngemeinschaft seit über 10 Jahren |
Neffen, Nichten, Schwiegerkinder/ -eltern, Onkel, Tanten |
Andere |
Freibetrag |
0,00 % |
0 |
0 |
0 |
0 |
für die ersten |
1,00 % |
0 |
6 |
11 |
16 |
für die nächsten |
1,25 % |
||||
für die nächsten |
1,50 % |
||||
für die nächsten |
1,75 % |
||||
für die nächsten |
2,00 % |
||||
für die nächsten |
2,25 % |
||||
für jeden weiteren Vermögenserwerb |
2,50 % |
Dieser praktische Rechner vom Kanton Bern hilft Ihnen beim Berechnen der Erbschafts- und Schenkungssteuer:
Steuerklassen Kanton Solothurn
Der Kanton Solothurn hat eine individuellere Abstufung, die aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist. Zudem weist er pro Stufe direkt den Steuersatz aus, der je nach Verwandtschaftsgrad anzuwenden ist.
Steuer nach Klassen |
Ehegatten, eingetragene/r Partner/in, Kinder, Enkelkinder, Eltern |
Stiefeltern/-kinder, Pflegeeltern/-kinder und Nachkommen |
Geschwister, Halb-geschwister |
Gross-/ Schwiege-reltern |
Onkel, Tanten, Neffen, Nichten |
Andere |
Freibetrag Schenkungssteuer CHF 14 100 |
0 % |
0 % |
0 % |
0 % |
0 % |
0 % |
für die ersten |
0 % |
2 % |
4 % |
6 % |
9 % |
12 % |
für die nächsten |
0 % |
5 % |
10 % |
15 % |
22,5 % |
30 % |
für die nächsten |
0 % |
6 % |
12 % |
18 % |
27 % |
36 % |
ab CHF 155 087 |
0 % |
5 % |
10 % |
15 % |
22,5 % |
30 % |
Ein Beispiel zur Berechnung der Erbschafts- und Schenkungssteuer
Da Felix diese Informationen nun hat, schaut er sich seine Situation genauer an. Das Einfamilienhaus von Agnes steht auf Berner Boden, also gelten die Richtlinien für den Kanton Bern. Der amtliche Wert der Immobilie beträgt CHF 600 000. Die Hypothek in der Höhe von CHF 200 000 zieht er ab, ebenso den Freibetrag von CHF 12 000. Somit hat Felix einen Ausgangswert von CHF 388 000. Da er mit Agnes nicht verwandt war, greift ein Faktor von 16.
Berechnung
CHF 600 000 – CHF 200 000 (Hypothek) = CHF 400 000
CHF 400 000 – CHF 12 000 (Freibetrag) = CHF 388 000
Betrag
x Steuersatz x Faktor
Steuern
CHF 110 600
× 1,00 × 16 (16 %)
CHF 17 696
CHF 110 600
× 1,25 × 16 (20 %)
+ CHF 22 120
CHF 110 600
× 1,50 × 16 (24 %)
+ CHF 26 544
CHF 56 200
× 1,75 × 16 (28 %)
+ CHF 15 736
Total Erbschafts- und Schenkungssteuer
= CHF 82 096
Laut Felix’ Berechnung muss er eine Erbschaftssteuer von CHF 82 096 bezahlen. Der Gegencheck mit dem Online-Rechner des Kantons Bern bringt das gleiche Ergebnis.
Wissen in der Nachlassplanung einsetzen
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist nicht zu unterschätzen. Wir haben Ihnen hier die Grundlagen aufgezeigt, wobei es auch zahlreiche Spezialfälle gibt. Eine fachliche Beratung kann deshalb sinnvoll sein.
Das Wissen um die Erbschafts- und Schenkungssteuer lässt sich bei der Nachlassplanung nutzen. Es kann sich lohnen, bereits zu Lebzeiten Vermögen zu verschenken, um die Erbschaftssteuer für die Empfängerinnen und Empfänger zu reduzieren. Denn alle fünf Jahre startet der Tarif wieder bei 1,00 im Kanton Bern bzw. beim tiefsten Prozentsatz im Kanton Solothurn.
Gerne prüfen wir Ihre Situation im Rahmen einer Finanzplanung. Bei Bedarf ziehen wir Notarinnen und Notare bei, um die rechtlichen Aspekte abzudecken. Interessiert? Melden Sie sich gerne bei Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.
Übrigens: Felix Frischknecht gibt die Erbschaft in der Steuererklärung in den verschiedenen Einkünften unter «Schenkungen / Vorempfänge» an. Die Steuerverwaltung verrechnet die Erbschaftssteuer anschliessend separat, das heisst unabhängig von den Ratenzahlungen der Einkommens- und Vermögenssteuer.